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turm
Turm. Foto 2003

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

Objektführer / Düsseldorf

Düsseldorf_Weizenmühle Plange
Weizenmühlenstraße

Texte und Dokumente
Walter Buschmann: Weizenmühle Plange

 

schaubild
Weizenmühle Plange. Schaubild um 1910

totale
Gesamtansicht. Foto 2003

Walter Buschmann
Weizenmühle Plange in Düsseldorf

Die Ursprünge der Firma Georg Plange liegen in Soest, wo Georg August Plange seit 1775 eine kleine Wassermühle betrieb. Das Zeitalter der Wind- und Wassermühlen neigte sich bereits im 19. Jahrhundert mit Entstehung der Dampfmühlen seinem Ende entgegen. Schon 1826 wurde von Daniel Luyken die erste Dampfmühle des Niederrheins in Wesel erbaut, 1843 folgte eine Anlage in Rees und seit Mitte der 1870er Jahre wurde der Duisburger Hafen Standort für Dampfmühlen, die mit ihren schmalen und hohen Backsteinbauten das Landschaftsbild des Niederrheins um einen ganz ungewohnten Zug bereicherten. Charakteristisch für die industriell betriebenen Mühlen war die Ansiedlung in den großen Häfen. Nicht mehr Wasserkraft oder der nahe Ortsbezug zu den bäuerlichen Produzenten war das entscheidende Standortkriterium, sondern die hohe Verkehrsgunst der Häfen.

Die Firma Plange expandierte gegen Ende des 19. Jahrhunderts zunächst durch Neuansiedlung im Hamburger Hafen, wo 1896 in Wilhelmsburg ein großzügiger Komplex entstand. Es soll zur Entstehungszeit die größte Mühle Europas gewesen sein. Die nach Entwurf des Altonaer Architekten Albert Winkler und seiner Nachfolger Raabe & Wöhleke entstandenen Bauten werden, soweit sie den Krieg überstanden haben in Hamburg als denkmalwert eingestuft.

Der 1890-1996 auf der Lausward entstandene neue Düsseldorfer Hafen war äußerst erfolgreich und entwickelte sich zum größten Binnenhafen am Rhein zwischen Mannheim/Ludwigshafen und der Ruhr. Schon 1899 waren alle Plätze an den Hafenbecken verpachtet, so dass 1904- 1907 ein neues Becken entstand. Neben GEG, Döllken & Cie, Bütefuhr & Söhne, Hüllstrang & Cie siedelte sich an diesem Becken in dominanter Lage am Ende der von zwei Becken begrenzten Landzunge die Weizenmühle Georg Plange an. Zehn Jahre nach der Hamburger Gründung entstand also in Düsseldorf 1906 die zweite Dampfmühle des Unternehmens. Das Düsseldorfer Zweigwerk war für 120 Beschäftigte geplant (Hamburg: 180-190) und produzierte mit 38 Weizenstühlen ausschließlich Weizenmehl. Der Antrieb erfolgte durch eine 1200 PS starke Dampfmaschine, die zugleich auch Strom zur Beleuchtung der Produktionseinrichtungen erzeugte. Der Entwurf für die Bauten der Mühle lieferten die Hamburger Architekten Raabe und Wöhleke. Das 1908 erstellte Direktorenwohnhaus (nicht erhalten) entwarf der Architekt Hermann vom Endt aus Düsseldorf. Die Weizenmühle Plange stärkte den Charakter des Düsseldorfer  Hafens, der weniger der industriellen Produktion der Stadt, sondern mehr zur Versorgung der Stadt und ihres Hinterlandes mit Nahrungsmitteln, Baumaterialien etc. diente. Besonders markant im Komplex der Weizenmühle Plange war ein zur Hafeneinfahrt ausgerichteter Turmbau, der,  von einem Bronzeadler bekrönt und mit einer Lampe versehen Wahrzeichencharakter mit Orientierungsfunktion hatte. Selbst, im Zweiten Weltkrieg durfte trotz strenger Verdunklungsanordnung die Lampe bis zwei Stunden vor jedem Luftangriff brennen.

lageplan
Lageplan

Wie in Hamburg wurde auch in Düsseldorf die Plange-Mühle durch Kriegszerstörungen stark im historischen Bestand der Bauten und Anlagen reduziert. Das Mühlengebäude und der rechtwinklig daran angrenzende Lagertrakt, wo das Weizenmehl seit den 1920er Jahren in 1 kg Haushaltspackungen "abgetütet" wurde gingen vollständig unter. Die Neubauplanung des Architekten W. Jenny aus Düsseldorf sah zumindest in der Außenerscheinung (wohl unter Einbeziehung älterer Bausubstanz) eine komplette Erneuerung vor, die jedoch nur teilweise 1949 ausgeführt wurde. Erhalten blieben von der alten Anlage der adlergeschmückte Turm, Silogebäude, Werkstätten, Kesselhaus und das Stallgebäude mit der Wohnung für den Obermüller.

front
Turm mit Neubau 1949. Foto 2003

In den 1990er Jahren wurde der Mahlbetrieb eingestellt und die Gebäude standen einige Jahre leer. Mit der Umnutzung des Düsseldorfer Hafens zum „Medienhafen“ wurde auch das Mühlengebäude der Weizenmühle Plange umgebaut und dient heute gewerblichen Nutzungen aus den Branchen Kunst, Mode, Werbung und Medien sowie gastronomischen Betrieben.

Der Turmbau
 Architektonisch besonders aufwendig ist der Turm gestaltet mit einer Verblendung aus bruchrauhem Naturstein in der weit empor reichenden Sockelzone, Ziegelmauerwerk in den fünf darüber aufragenden Geschossen und kupferbeschlagenem Turmhelm. Weiß abgesetzt im Sockelbereich sind die Fensterumrahmungen und ein von mächtigen Konsolen getragener Balkon. Die sparsame floral-geometrische Ornamentik entstammt dem Formengut des Jugendstils. Der über dem Sockel sich aufbauende Backsteinteil hat hoch anfragende Eckpilaster mit ionischen Kapitellen. Die durchlaufenden Pfeiler zwischen zurückspringenden, verputzten Fensterbrüstungen unterstützen die gestreckte, schlanke Turmform in diesem  Bereich. Die kleinteiligen Metallsprossenfenster in den Öffnungen sind überwiegend erhalten. Im Turmhelm (1927 in Stahlbeton erneuert) ist eine große Uhr eingelassen. Er wird bekrönt von dem seine Schwingen ausstreckenden Adler. Im Turm befindet sich ein Steinteppenhaus, das auf jeder Geschoßebene nach vorn orientierte Räume erschließt.

Maschinenhaus und Werkstätten
Rückseitig an den Turm angefügt befinden sich Maschinenhaus und Werkstätten. Das ursprüngliche Maschinenhaus von 1906 war eine einschiffige, dreiachsige, giebelständige Backsteinhalle mit Satteldach für eine 1200 PS starke dreifach Expansionsdampfmaschine. Die Halle wurde 1911 seitlich durch eine einachsige Halle ergänzt. Das an der anderen Seite angrenzende Werkstattgebäude von 1906 hatte ursprünglich, 1921 durch ein flaches Satteldach ersetzte Sheddächer. Die trotz der unterschiedlichen Bauphasen homogen wirkende Backsteinarchitektur ist gegliedert mit Rundbogenfenstern und ein System von Lisenen und vertieft angeordneten vertikalen Putzstreifen. Die großen Rechteckfenster für die Aufstockung des Werkstattgebäudes verweisen auf die spätere Bauzeit nach dem Ersten Weltkrieg.

Silo 1906
Das Silogebäude von 1906 wird im äußeren Erscheinungsbild ebenfalls geprägt von dem Wechsel zwischen Backstein- und Putzflächen. Über dem Backsteinsockel wird der Bereich der Silozellen gekennzeichnet durch fast gebäudehohe, rund bogige Blendnischen mit zurückliegenden weißen Putzflächen. Die östliche Zweiturmfront wurde ursprünglich durch einen turmartigen Aufsatz im Westen ergänzt. Die Aufbauten wurden jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg in schlichten, kubischen Backsteinformen erneuert.

Im Inneren des alten Silogebäudes sind die Silozellen in Holz erstellt. Sie deuten sich im Außenbau durch runde Telleranker an.

silo
Silos 1906 und Elevator

Elevator
Zum Silogebäude gehört ein Schiffselevator, der am ursprünglichen Standort 1949 als turmförmiger Backsteinbau erneuert wurde.

Wohnhaus Obermüller
Rechtwinklig zu den alten und neuen Siloanlagen steht die Stallung mit Wohnung für den Obermüller von 1906. Es ist ein lang gestrecktes Backsteingebäude mit Krüppelwalmdach und mittig angeordnetem Zwerchhaus in der westlichen Trauffassade. Im Erdgeschoß sitzen rundbogige, im Obergeschoß rechteckige Fenster. Im Trauf- und Giebelbereich findet sich wieder der Wechsel von Backsteinlisenen und weißgestrichenen Putzleisten.

Silos 1928/1934
Deutlich abweichend von der Backsteinarchitektur aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg sind die neuen Silos als reine Funktionsbauten in Sichtbeton erstellt. Die erste Batterie mit zehn zylinderförmigen Silos (h = 23,40 m; Durchmesser 8,2 m; 12000 m3 Fassungsvermögen) entstand 1929 nach Entwurf der Düsseldorfer Architekten Karl Wach und Heinrich Roskotten. Die etwa gleich große zweite Batterie wurde in gleichen Formen 1934 zugefügt. Sie diente für das vom Staat zur Pflichtlagerung zugewiesene Weizen. Beide Batterien wurden von Wayss & Freytag in der für solche Bauhöhen damals noch ungewöhnlichen Freischalung ausgeführt.

silo
Silos 1928/1934

Fazit
Die Weizenmühle Plange ist ein Beispiel für den Übergang von der Wind- und  Wasserkraft im Mühlengewerbe auf die Dampfkraft wie der Wirtschaftshistoriker Friedrich Wilhelm Henning 1981 in seiner Geschichte der Düsseldorfer Wirtschaft anmerkte. Zwar reicht dieser für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse bedeutsame Wechsel bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück, doch sind aus jener Periode keine materiellen Zeugnisse überliefert.

Wichtig ist die Anlage auch für die Geschichte des Düsseldorfer Hafens. Sie verdeutlicht den großen Stellenwert der lebensmittelverarbeitenden Industrie für diesen Hafen.

Die Gebäude der Gründungsanlage zeigen qualitätvolle Industriearchitektur der Jahrzehnte vor dem Ersten Weltkrieg. Herausragend ist der Turmbau mit seinem noch in der wilhelminischen Vorstellungswelt verankerten Zeichencharakter. Auch die übrige Backsteinarchitektur ist architekturgeschichtlich von Bedeutung. Sie verdeutlicht in ihrer Sachlichkeit die wegbereitende Funktion des Industriebaus hin zur Klassischen Moderne.

Von großer Bedeutung für die Architekten der Moderne waren die in einfachen kubischen Formen gestalteten Silogebäude. Walter Gropius und Le Corbusier verwiesen in ihren Veröffentlichungen auf die für sie beispielgebenden Silobauten in Nord- und Südamerika. Es ist daher keineswegs überraschend, wenn zur Gestaltung der neuen Silos für die Weizenmühle Georg Plange 1929 die renommierten Architekten Karl Wach und Heinrich Rosskotten tätig wurden. Karl Wach war seit 1918 Professor an der Kunstakademie in Düsseldorf und hatte die neue Kunstakademie im Nordpark (1913-1921), das Arbeitsamt (1922-1926) und das Verwaltungsgebäude der Phoenix AG (1926/1927) gebaut. 1928 bis 1946 war Karl Wach mit Heinrich Rosskotten soziiert. Das Büro realisierte in Düsseldorf u. a. das Evangelische Gemeindezentrum (1929/1930),  die Matthäikirche (1930/1931) und das Walzstahlhaus (1938-1940).

Bei den neuen Silos für die Fa. Plange tritt die Form der Rundbehälter unverkleidet in Erscheinung. Durch Reihung dieser Großform und Ergänzung durch den quaderförmigen Treppenturm und den Aufsatz für die Bänder wird eine Ästhetik erzielt, die typisch ist für das Neue Bauen der 1920er Jahre. Interessant ist die Wiederholung dieser Bauformen in der NS-Zeit. Jenseits vom Monumentalismus im Stil des Neoklassizismus und Regionalismus konnten sich nach 1933 für Ingenieur- und Industriebauten Formen der Bauhaus-Architektur halten, obwohl diese offiziell unter das Verdict des "Kulturbolschewismus" fiel. Die Rolle der Industriearchitektur in der NS-Zeit ist noch nicht abschließend geklärt, so daß Objekte wie die Silobauten der Weizenmühle Plange wichtige Beispiele zur Erforschung der Architekturgeschichte sind.

Literatur
Franz B. Döpper, Düsseldorf und seine alten Firmen, Hamburg/Düsseldorf 1985

Erinnerungen aus dem Werdegang der Firma Mühlenwerke Georg Plange, Soest. Von Julius Keigel in der Firma Georg Plange, Soest 1940

Anne Frühkauf, Fabrikarchitektur in Hamburg. Arbeitsheft zur Denkmalpflege in Hamburg Nr. 10, Hamburg 1991

Anna Klapheck-Strümpell, Bauten der Düsseldorfer Architekten Prof. Karl Wach und Baurat H. Rosskotten, in: Deutsche Bauzeichnung  75, 1941, S. 61-68

Anna Klapheck-Strümpell, Neue Arbeiten von Prof. Dipl.-Ing. Karl Wach und Reg. Baurat a. D. Rosskotten, Düsseldorf in: Moderne  Bauformen 27, 1928, S. 399-413

Neue Entwürfe und ausgeführte Arbeiten in: Bauwarte 5, 1929, S. 85-88

Philipp Nitze, Bauten des Architekten BDA Prof. Karl Wach und Reg. Baurat Rosskotten, Düsseldorf, in: Deutsche Bauzeitung. 65, 1931, S. 377-384

Georg Plange, in: Historisch-biographische Blätter "Der Staat Hamburg" hg. von Julius Eckstein, Berlin/Hamburg! Wien 1905 (3. Lieferung)

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