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wespien
Haus des Tuchmachers Johann Wespien Kleinmarschierstr. 35, 1734-37 nach Plänen von Johann Joseph Couven. Zerstört 1943

 

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Haus Zur Kron in Burtscheid/Hauptstraße. Bau 1610er Jahre. Im Zweiten Weltkrieg zerstört.. Foto um 1910

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

marx
Tuchfabrik Marx&Auerbach(1861), Tempelgraben 86. Bauaufnahme von RWTH Studenten am Lehrstuhl René von Schöfer um 1930

 

Objektführer / Aachen / Wollroute

Aachen_Textil

kelleter
Tuchfabrik Kelleter. Haus Jacobstr. 35(rechts) und die Fabrik an der Bendelstr. 24 von 1808(links)

Walter Buschmann
Textilindustrie in Aachen

Die Anfänge der Tuchherstellung in Aachen gehen vermutlich zurück bis in die Zeit Karls des Großen. Sichere Nachricht über Tuchweber in Aachen gibt die Chronik von St. Trond aus dem Jahr 1135. Der Aufschwung in der mittelalterlichen Tuchindustrie Aachens wurde begünstigt durch die Nähe Aachens zu Flandern, neben Oberitalien eines der beiden großen europäischen Zentren der Tuchproduktion. Aachens günstige Lage im Straßennetz zwischen Flandern und Deutschland bewirkte, das Aachen eine zentrale Position im Austausch von Tuchen und Wolle zwischen West und Ost aber auch in den Süden einnahm. Weitere günstige Standortbedingungen waren:
  • der zum Waschen und Walken der Wolle notwendige Wasserreichtum aus den Flüssen und Quellen; das heiße Wasser der Quellen boten eine günstige Voraussetzung für das Waschen den Wolle
  • Zugang zu dem in den Eifelwäldern reichlich vorhandenem Brennstoff Holz, der für das Färben der Tuch unabdingbar war
  • Versorgungsmöglichkeiten mit Wolle aus der näheren Umgebung durch die in der Eifel zunehmend gezüchteten Schafherden
  • Herausbildung eines Arbeitskräftepotentials in den ländlichen Regionen der Umgegend

Die Tuchherstellung in Aachen war zünftisch organisiert mit der 1387 erstmals erwähnten Wollenambacht, die aber wohl schon im 13. Jh. existierte. Im 14. und 15. Jh. erlebte die mittelalterliche Tuchproduktion in Aachen ihren Höhepunkt.

Nachdem sich schon im 15. Jh. gewerbetüchtige Protestanten aus den Niederlanden in Aachen angesiedelt hatten und später Religionsflüchtlinge aus Burgund, Flandern und Artois dazukamen, wurden die Auseinandersetzungen zwischen den Religionen 1614 in Aachen zugunsten der Katholiken entschieden. Mit der daran sich anschließenden Vertreibung der Protestanten verließen die tüchtigsten, reichsten und unternehmensten Tuchhändler die Stadt und siedelten sich in den Orten und Städten der Region an, in denen dadurch die Tuchindustrie begründet oder entscheidend entwickelt wurde.

Während das Tuchgewerbe in Aachen nach 1614 einen Niedergang erlebt, wuchs die tuchindustrielle Bedeutung der Region durch die Entwicklung in Monschau, Eupen und Vaals. Auch das religionstolerantere Burtscheid profitierte von dem Exodus der Protestanten aus Aachen.Eingeengt durch Zunftbestimmungen mit einer Beschränkung der Webstühle und Gesellen pro Betrieb, dem Verbot eine zweite Werkstatt zu betreiben und Teilarbeiten außerhalb der Stadt in Auftrag zu geben, konnten die Aachener Tuchkaufleute nur beschränkt  als Verleger tätig werden. Trotzdem soll auch in Aachen im 18. Jh. unter Umgehung der zünftischen Produktionsbestimmungen das Verlegersystem stärker hervorgetreten sein. Johann Wespien (1700-1759), der von Burtscheid 1712 nach Aachen übersiedelnde Johann Adam Clermont (1673-1731) und Christian Friedrich Claus (1735-1799) waren die bedeutendsten, im Verlagssystem produzierenden Tuchkaufleute Aachens. Von Johann Wespien hieß es 1713, dass er 800 Personen "Nahrung gab." Die Schwierigkeiten dies mit den Zunftbestimmungen in Übereinstimmung zu bringen veranlaßten auch Wespien zu Überlegungen sich außerhalb Aachens niederzulassen. Johann Arnold Clermont vollzog diesen Schritt 1765, als sein neu erbautes Stammhaus in Vaals fertiggestellt war. Auch Franz Nellessen produzierte seit 1753 im Verlagssystem.

Anders verlief die Entwicklung in Burtscheid, wo eine auf wirtschaftlichen Eigeninteressen gegründete liberale Haltung der Äbtissinnen die Herausbildung großer, im Verlagssystem organisierter Betriebe ermöglichte. Zu den großen Unternehmen gehörten von Loevenich, von Cölln, Römer und der bereits erwähnte Johann Arnold Clermont, dessen Haus "Pelikan" auch nach der Umsiedlungen nach Vaals weiterhin als Stammhaus geführt wurde. Die Hauptstraße in Burtscheid vereinigte mehrere Bauten des Verlagssystems und war einer der interessantesten Orte der Protoindustrialisierung in Westdeutschland. Hinter den straßenorientierten Häusern der Tuchkaufleute entstanden dahinter zuweilen große Werkbauten (z. B. Haus zur Kron). Es waren Pionierbauten der Industriearchitektur des 19. Jahrhunderts. Ein grundlegender Wandel in den Verhältnissen der Aachener Tuchgewerbe trat erst in der französischen Zeit 1794 bis 1814 ein. Begünstigt durch den Wegfall der Zunftbestimmungen und durch staatliche Förderungen entstanden um 1800 auf den Gartengrundstücken mehrerer Tuchkaufleute die "Achterbauten", in denen die noch handwerklich arbeitenden Beschäftigten räumlich zusammengefaßt wurden. Zugleich vergab die französische Verwaltung die säkularisierten Klöster zu günstigen Bedingungen an Tuchkaufleute: Ignatz Houten erhielt das Kloster der weißen Frauen, Konrad Claus das St. Anna Kloster, Franz Ägidius Joseph August Heusch das Kreuzherrnkloster und Friedrich Kolb die Abtei Kornelimünster. Auch das Jesuitenkolleg und das Kapuzinerkloster wurden Tuchfabriken.

Mit Einführung von Textilmaschinen aus Belgien seit 1807 und den ersten Dampfmaschinen bei Pastor in Burtscheid und Kelleter in Aachen begann die Industrialisierung der Tuchfabrikation. Bevor sich jedoch die Dampfmaschine durchsetzen konnte, gab es nach dem von Richard Arkwright begründeten englischen Vorbild eine Reihe von wasserradgetriebenen Spinnmühlen: zunächst die Heißensteinmühle, dann Drieschmühle, Weiße Mühle, obere Papiermühle und Amiamühle, später Heppionsmühle, Dennewartsmühle, Pletschmühle, Kelmismühle, untere Papiermühle (Spinnerei Pastor). In der Mühle Wolfsfurt sollen schon 1813 auch mechanische Webstühle betrieben worden sein.

startz1983
Tuchfabrik Startz, Löhergraben 22(1821). Foto 1983

Nach Einführung der Dampfmaschine durch Pastor und Kelleter, gründeten auch Kelleters Nachbarn Gotthard Startz(1821), Nellessen(1826) und Kesselkaul(1826) ihre Fabriken auf der Dampfkraft. Dies waren zugleich die Anfänge des Fabrikbaus in Aachen mit schlanken, gestreckt-rechteckigen Geschoßbauten, die seit etwa 1850 durch Treppentürme akzentuiert wurden. Erst 1874 wurde der erste Shedbau in Aachen für die Aachener Tuchfabik AG realisiert.

neuwerk
Beispiel einer Volltuchfabrik mit Weberei und Spinnerei, Augustastr. 78. Im Zentrum des Bildes der weitgehend erhaltene Stockwerksbau mit Treppenturm von 1863. Schaubild um 1925

Die Aachener Tuchindustrie war seit den 1850er Jahren gekennzeichnet durch die Herausbildung der Volltuchfabik, in der weitgehend alle Produktionsbereiche zur Herstellung der Tuche vereinigt waren. Charakteristisch war das Nebeneinander von Großbetrieben mit jeweils zum Teil weit über 1000 Beschäftigen und Kleinbetrieben von nur geringer Größe. Neben den Betrieben auf innerstädtischen Standorten blieben immer auch die sich auf den Mühlen gründenden Tuchfabriken am Rande der Stadt im ländlichen Bereich. Teilweise wurden diese ländlichen Produktionsstätten durch die wachsende Stadt im Verlauf des 19. Jahrhunderts urbanisiert, wie die Anlagen im Frankenberger Viertel.Der Strukturwandel in der Textilindustrie führte in den 1950er Jahren zur Stillegung vieler Betriebe. Letztlich sank die Tuchherstellung in Aachen zur Bedeutungslosigkeit herab. Die freiwerdenden Fabriken wurden - soweit die Gebäude erhalten blieben - meist mit anderen gewerblichen Nutzungen belegt. Seit etwa 1930 gibt es in Aachen, begründet durch den an der RWTH lehrenden René von Schöfer ein baugeschichtliches Interesse an den Zeugnissen der Textilindustrie und seit etwa 1975 wurde die Erhaltung dieser Bauten auch gefördert durch die Aktivitäten der Denkmalpflege. 

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