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Objektführer / Essen / Route der Industriekultur / Zeche Zollverein / Siedlungen / Siedlungen im Essener Nordosten

 

Essen_Siedlung Beissen. Krasproth-, Röcken, Bonnekampstraße



 

beissen
Siedlung Beissen. Foto 2009

Walter Buschmann
Siedlung Beissen

Die Siedlung wurde 1902-03 durch die Zeche Zollverein im Osten der Schachtanlage Zollverein 3/7/10 errichtet. Der Name der Kolonie leitet sich ab von den Binsen, jenem schilfrohrartigen Gewächs, das in den sumpfartigen Niederungen der Umgebung vielfach wuchs und zu Körben, Kiepen und Besen verarbeitet wurde. Das Siedlungsgelände wird an der Südwestspitze durch die zur Zeche Bonifacius auf einem Damm geführte Anschlussbahn begrenzt. Die Zechenbahn führt mit einer Brücke über die Kraspothstraße, grenzt die Siedlung ab und wirkt durch Damm und Brücke im Randbereich in das Siedlungsbild hinein. Berühmt-berüchtigt war die Abgeschlossenheit und Abseitigkeit der Siedlung mit dem Spitznamen „Königreich Beisen“. Die Siedlung galt als Kommunistenhochburg mit einem noch um 2000 als Graffiti auf einer Hauswand erhaltenen Wahlaufruf für den damaligen Vorsitzenden der KPD zur Präsidentenwahl 1932: „Wählt Thälmann“. Geradezu spektakulär ist das auch heute noch in das Straßenbild besonders der Kraspothstraße hineinwirkende Bild des Fördergerüstes von Zollverein 10.

Die Anlage besteht aus zwei parallel angeordneten Straßen für insgesamt vier linear an Kraspoth- und Röckenstraße angeordnete Hauszeilen. Die Siedlung umfasste nach Fertigstellung 1903 200 Wohnungen in 50 Häusern. In der Nachkriegszeit und in der jüngeren Vergangenheit sind in der Krapothstr. neun und in der Röckenstr. ein Haus erneuert worden. Ein Haus an der Röckenstraße wurde ersatzlos abgebrochen, so dass 39 aus der Entstehungszeit stammende Siedlungshäuser erhalten sind. Die Neubauten passen sich in Größenordnung und Kubatur den Ursprungshäusern an.

Zwischen den Häusern blieb 1902-03 eine großzügig bemessene Fläche für die Hausgärten unbebaut. Ebenfalls große Hausgärten waren im Anschluss an die Südzeile der Kraspothstraße und an die Nordzeile der Röckenstraße den Häusern zugeordnet.

Schon 1937/38 gab es eine Siedlungserweiterung nach Nordosten durch den Bau dreigeschossiger Mehrfamilienhäuser als schlichte Putzbauten an der Bonnekampstraße. 1951/52 entstand zwischen Bonnekamp- und Grundstraße und an der Liboristraße eine neue Siedlung mit Kirche und Pfarrhaus. In diesem Zusammenhang wurde auch der Zwischenraum zwischen Kraspoth- und Röckenstraße mit zwei- und drei-geschossigen Mehrfamilienhäusern in Zeilenbauweise unter Aufgabe der ehemaligen Hausgärten bebaut. Diese Bebauung wurde nach Osten und Süden fortgesetzt, so dass die alte Siedlung heute umrahmt und durchsetzt ist mit Wohnhäusern der 1950er Jahre. 

Kraspoth- und Röckenstraße sind beidseitig mit 1 1/2-geschossigen Arbeiterwohnhäusern für jeweils 4 Wohnungen bebaut. Im Erscheinungsbild lassen sich zwei Hausarten unterscheiden. Es gibt den reinen Backsteinbau und Hausformen mit dem in zeittypischer Weise gestalteten Wechselspiel zwischen Putz- und Backsteinflächen. Die Fenster sind segmentbogig oder auch als Rechteckformate mit stockähnlichen Laibungen und Stürzen ausgebildet. Auch die Dachformen sind mit Sattel- und Krüppelwalmdächern unterschiedlich ausgebildet. Das Wechselspiel der Fensterformen und der unterschiedlich ausgeprägten Wandflächen erzeugt in Verbindung mit den verschiedenen Dachformen die in dieser Zeit um 1900 im Siedlungsbau gesuchte Formenvielfalt im Straßenbild. 

Die Häuser werden von den Giebelseiten über später angefügte Eingangsvorbauten erschlossen. Jede Wohnung hat vier Zimmer: zwei im Erd- und zwei im Dachgeschoss. Vom Eingang betritt man die Wohnküche. Von hier führt eine Treppe ins Dachgeschoss. Die Häuser sind unterkellert. Auch die Treppe zum Keller ist von der Küche aus zugänglich. Im Erd- und Obergeschoss ist der zweite Raum jeweils gefangen.

Die Stall- und Abortbauten befanden sich als separate Baukörper hinter den Wohnhäusern. Stallgebäude und Hausgärten sind nur teilweise erhalten geblieben.

1982
Foto 1982

Wie in der Siedlung Hegemannshof erfolgte die Wasserversorgung anfangs mit Pumpen zwischen den Häusern. Wasserleitungen wurden Ende der 1920er, Kanalisation Ende der 1930er Jahre gelegt. Die Siedlung war bekannt für die hier besonders zahlreichen Taubenschläge in den Gärten. 

Die Siedlungshäuser sind in beiden Straßen in jüngerer Zeit vergleichsweise stark verändert worden. Mehrere Häuser und Haushälften sind verputzt, häufig wurde das Mauerwerk auch übergestrichen. An der Röckenstraße sind verstärkt den giebelseitigen Vorbauten Dächer zum Schutz der Treppen vorgeblendet. Hausgärten in der ursprünglichen Größe sind nicht mehr vorhanden. Selbst an der Nordzeile der Röckenstraße wurden die Gartengrundstücke verkleinert zugunsten einer öffentlichen, heute stark verwilderten Grünfläche. Die Straßenräume wurden im Verlauf der letzten Jahrzehnte neu gestaltet mit Aufpflasterungen im Fahrbahnbereich, gepflasterten Parkstreifen und kleinen Rasenflächen mit paarweise angeordneten Bäumen.

Die unmittelbar mit dem Bild der Ursprungssiedlung verbundenen Siedlungshäuser von 1951/52 im ehemaligen Gartenland zwischen Kraspoth- und Röckenstraße sind an drei Querstraßen angeordnet. Jede dieser drei Hausgruppen besteht aus einem lang gestreckten, 3-geschossigen Gebäuderiegel in Nord-Südausrichtung und jeweils rechtwinklig zu den Erschließungsstraßen ausgerichteten 2-geschossigen Putzbauten mit flachen Satteldächern. Während diese Hausgruppen noch weitgehend das Erscheinungsbild der 1950er Jahre zeigen, wurden die aus gleicher Zeit stammenden Häuser im Osten und Süden durchgreifend mit Wärmedämmung und neuen Balkonbrüstungen verändert.

1950er
Siedlungserweiterung 1950er. Foto 2009

Literatur
Meyer, Carl: Geschichte der Bürgermeisterei Stoppenberg, Essen 1914

Kastorff-Viehmann, Renate: Wohnung, Wohnhaus und Siedlung für Arbeiter-Bevölkerung im Ruhrgebiet in der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des 1. Weltkrieges, Diss. Aachen 1980

Großmann, Joachim: Wanderungen durch Zollverein. Das Bergwerk und seine industrielle Landschaft, Essen 1999

Stemmrich, Daniel: Vom Kotten zum Mehrfamilienhaus, in: Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen, Heft 96, 1981

Hundt, Robert: Arbeiterwohnungen auf den Zechen des Ruhrreviers, Essen 1901

Bollerey, Franziska/ Hartmann, Kristiana: Siedlungen aus dem Reg. Bez. Düsseldorf, o. O., o. J. (Essen 1980)

Ruhrlandmuseum(Hg.): Vom Hausen zum Wohnen. Wohnungsbau für Arbeiter zur Zeit der Industrialisierung: Essen ein Beispiel, Essen 1988

Buschmann, Walter: Arbeitersiedlungen. Historische Bedeutung und denkmalpflegerisches Erhaltungsinteresse, in: Rheinische Denkmalpflege 32, 1995, S. 263 – 271

Biecker, Johannes/ Buschmann, Walter(Hg.): Arbeitersiedlungen im 19. Jahrhundert - Historische Entwicklung und Bedeutung, Bochum 1985

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