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Objektführer / Duisburg / Route der Industriekultur

Duisburg_Maternatunnel
Duisburg Bruckhausen, Kaiser-Wilhelm-Straße


aussen
Maternatunnel. Foto 2011

Walter Buschmann
Maternatunnel

Matenastraße und Matenatunnel in Duisburg-Bruckhausen

Entstehung
Matenastraße und Matenatunnel sind eng mit der Geschichte der August-Thyssen-Hütte bzw. der vormaligen Gewerkschaft Deutscher Kaiser verbunden. Schon vor Gründung der Hütte gab es ausweislich der Flurkarten von 1727 eine Wegeverbindung zwischen der damaligen Bruckhauser Straße(heute Kaiser-Wilhelm-Straße) und dem Dorf Alsum. Die bis zum Ankauf des Werksgeländes durch August Thyssen gleichbleibende Wegeführung war allerdings nicht geradlinig, sondern war vielmehr durch mehrere Kreuzungspunkte mit Richtungsänderungen gekennzeichnet. Das 1889-91 von August Thyssen errichte Stahl- und Walzwerk befand sich nördlich des nun im östlichen Verlauf begradigten und annähernd rechtwinklig an die Bruckhausener Straße angeschlossenen Verbindungsweges nach Alsum. Als es um den Ausbau des Standortes Bruckhausen ging, gab es auch Überlegungen, entsprechende Werksanlagen in Lothringen zu errichten. Die Entscheidung fiel dann jedoch für Bruckhausen. Das daraufhin 1895 begonnene Hochofenwerk entstand südlich des im westlichen Bereich noch immer kurvenreichen Weges zwischen Bruckhausen und Alsum. Mit den 1901 fertig gestellten Hochöfen 3 bis 5 erlangte die Maternastraße aber die heutige immer noch leicht gekrümmte Ausrichtung. Wie ein Lageplan von 1899 zeigt, wurde die Straße an vier Stellen durch Gleistrassen der Hüttenbahnen überquert. Drei dieser Gleistrassen waren in Hochlage geführt, während die vierte Trasse im Osten niveaugleich die Matenastraße kreuzte um dann die Koksöfen der Hüttenkokerei zu passieren. Besonders wichtig war die westliche Trasse mit einer Verbindung zum Hafen Alsum, später auch zum Hafen Schwelgern. Die Trasse endete im Werk in einer Erzhochbahn, mittels der die in den Häfen ankommenden Erze in die Bunker der Hochofenanlage transportiert wurden. Die beiden mittleren Trassen stellten die Verbindung her zwischen den Hochöfen im südlichen und den Stahlwerken im nördlichen Werksbereich. Die Matenastraße war nicht nur eine Verbindung zwischen den Orten Bruckhausen und Alsum, sondern auch ein wichtiger Zugang zum Werk mit Toranlagen für die Kokereiarbeiter im Osten(Portier 4) und für die Hochofenarbeiter im Westen(Portier 6).

Seit 1904 gab es Überlegungen für eine weitgehende Untertunnelung der Matenastraße und zwar als Schließung der Zwischenräume zwischen den bereits bestehenden Überführungen. Als Motiv wurde auch der Schutz von Fuhrwerken und Passanten vor dem heißen und feinen Staub aus dem Hochofenbetrieb genannt. Das von Thyssen ausgearbeitete Projekt mit einem 3,4m hohen Tunnel fand bei der Gemeinde Hamborn keine Zustimmung. Man wünschte eine Tunnelhöhe von 4,2m, um durch diesen Tunnel auch eine Straßenbahn führen zu können. Die Fahrbahn solle durchgängig 8,0m, der Bürgersteig 2,0m und ein Bankett zusätzlich 0,25m breit sein. Bedenken des Unternehmens gegen diese Tunnelabmessungen und Probleme des mit dem Tunnelbau zusammenhängenden Geländeerwerbs bzw. Geländetauschs behinderten die Ausführung der Pläne. 1909 und 1910 gab es – motiviert durch den beabsichtigten Ausbau der Erzhochbahn - dann konkrete Entwürfe, die zu einem Vertrag zwischen Unternehmen und Gemeinde führten. Darin wird das Bauwerk beschrieben und die unentgeltliche Übertragung des Tunnels nach Fertigstellung an die Gemeinde Hamborn geregelt. Nach Vertragsunterzeichnung wurde der Tunnel bis 1912 vollendet.

Mit der nach Fertigstellung ebenfalls im Tunnel realisierten Straßenbahn wurde eine wichtige Verkehrsfunktion erfüllt. Die Straßenbahn führte vom Hamborner Rathaus zur Norbertuskirche und weiter zum Bahnhof Buschhausen. Die Straßenbahnlinie(später Linie 21 und 10)  wurde 1965/66 eingestellt.

Neben dem Zugang zum Werksgelände ermöglichte der Maternatunnel weiterhin eine Verbindung zwischen Hamborn und dem ursprünglichen Fischerort Alsum. Das im Zuge der Industrialisierung gewachsene Alsum erreichte 1933 eine Einwohnerzahl von 3.360 Einwohnern. Der Ort wurde 1944/45 durch Fliegerangriffe stark zerstört, erlitt durch Bodensenkungen zusätzliche Schäden und wurde von seinen Bewohnern nach und nach aufgegeben. 1965 verließ die letzte Familie Alsum, an dessen Stelle Industrieanlagen und der Alsumer Berg als begrünter Schutthügel entstanden.

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Bruckhausen. Etwa in der Kartenmitte unterquert der Maternatunnel das Werksgelände der August-Thyssen-Hütte

Der Tunnel
Der Matenatunnel ist etwa 400m lang mit einer Straßenbreite von 5,9 bis 6,0m, einem Fußweg auf der Nordseite mit einer Breite von 1,5m bis 2,0m und einer Höhe von generell 4,0m. Der Tunnelverlauf ist leicht gekrümmt. Am westlichen Ende ist im Tunnel ein Pfeiler der Erzhochbahn aus den 1890er Jahre erhalten. Der Fußweg wird hier um den Pfeiler herumgeführt. Der Tunnel hat überwiegend ein Rechteckprofil mit gerundeten Ecken zur Decke. Im Bereich des Erzhochbahnpfeilers sind die Wände schräg ausgebildet. Die Tunnelwände waren mit hellen Riemchen verblendet, von denen nur noch Reste erhalten sind. Die gepflasterte Fahrbahn wurde nachträglich asphaltiert. Nach Abnutzung der Asphaltdecke ist das Pflaster teilweise sichtbar. Die Tunneldecke besteht aus Doppel-T-Träger in engen Abständen. Die Zwischenräume zwischen den Trägern sind mit Beton ausgestampft. In den Widerlagermauern wurden Entlüftungskanäle eingelassen, die auch mit Ventilatoren bestückt werden konnten. Zur Beleuchtung dienten ursprünglich Glühbirnen auf Höhe der Kämpfer. Heute wird der Tunnel mit Neonröhren belichtet. Von den ursprünglich zwei Straßenbahntrassen sind Gleise von der südlichen Trasse erhalten geblieben.

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Blick in den Tunnel mit dem Pfeiler der Erzhochbahn. Foto 2011

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Maternatunnel mit Straßenbahn. Stadtarchiv Duisburg

Architektonisch gestaltet ist das östliche Tunnelportal mit geschweiftem Sturz über einem Konsolgesims. Ursprünglich war im Scheitel des Mundlochgiebels eine später zerschlagene Wappenkartusche mit Inschrift und Schlägel und Eisen angeordnet. Neben dem Ostportal befand sich ein mit Stufengiebel verzierter Werkseingang mit der Inschrift im verputzten Feld unter dem Giebeldreieck: „Pforte IV. Gew. Friedrich Thyssen Kokerei – Bruckhausen“. Hinter dem Portal erstreckte sich ein parallel zum Haupttunnel geführter, schmalerer Fußgängertunnel zu einer Treppe mit Torhaus am Eingang der Hüttenkokerei. Das Westportal des Tunnels ist ohne besondere Gestaltung.

Tunnelbau
Die Geschichte des Tunnelbaus wurde im 19. und 20. Jahrhundert besonders durch die zahlreichen Eisenbahntunnel geprägt. 1910 zum Zeitpunkt der Planung für den Maternatunnel gab es bereits 639 Eisenbahntunnel allein in Deutschland. Früh und entwicklungsgeschichtlich besonders wichtig(Erfindung Schildvortrieb) war jedoch auch der Fußgängertunnel unter der Themse zwischen Rotherhithe und Limehouse im Süden Londons, entstanden nach Entwurf und der Erfindung des Schildvortriebs von Marc Isambard Brunel in den Jahren 1825-43. Einen großen Bekanntheitsgrad erreichte der 1907-11 ausgeführte Hamburger Elbtunnel für Fußgänger und Pferdefuhrwerke. Vorbild des Elbtunnels war der 1889-95 erbaute Fußgänger- und Fuhrwerketunnel unter dem Clyde in Glasgow und der 1895-99 erbaute Spreetunnel für eine eingleisige Straßenbahnlinie zwischen Treptow und Stralau. Der Matenatunnel war zwar gegenüber diesen im Schildvortrieb entstandenen Tunnel technisch weniger anspruchsvoll ausgeführt, ist aber sicher von diesen Beispielen von der konzeptionellen Ausgangssituation mit geprägt worden. Es ist ein Zeugnis des Tunnelbaus im frühen 20. Jahrhundert.

Wichtig zum Verständnis des Matenatunnels sind die Werksgeschichte der August-Thyssen-Hütte und die Ortsgeschichte von Hamborn. Die Maternastraße zeigt topographisch jene Linie, über die hinausgehend 1895 eine entscheidende Erweiterung der Thyssen-Hütte in Bruckhausen erfolgte, mit dem Hochofenwerk und der Hüttenkokerei im Süden. Straße und Tunnel bieten insofern in ihrer Lage eine Erinnerungsmöglichkeit für einen wichtigen Schritt im Werkswachstum und sind insofern industrie- und werksgeschichtlich bedeutend. 

Wie in vielen anderen Fällen im Bereich der Großindustrie bedeutete die Ausdehnung der August-Thyssen-Hütte ins Riesenhafte die beidseitige Bebauung öffentlicher Straßen. Mehrfach hat diese Ausdehnung in der Industrie zur Einziehung öffentlicher Straßen ins Werksgelände geführt. War eine solche Einziehung nicht möglich, entwickelten sich die von Werksbauten eingefassten Straßen regelmäßig zu besonders eindrucksvollen Orten industriell geprägter Straßen- und Stadtbilder.

Die weitgehende Verlegung einer öffentlichen Straße in die Tunnellage dürfte – wegen des technisch-finanziellen Aufwands andernorts kaum Parallelen haben. Entsprechende Beispiele sind jedenfalls nicht bekannt. Der Maternatunnel bietet daher ein Zeugnis für eine Werksplanung, die zugleich ein zusammenhängendes Werksgelände ermöglichen sollte und den Belangen des öffentlichen Verkehrs Rechnung trägt.

Ortsgeschichtlich war die Maternastraße eine weit in die vorindustrielle Vergangenheit zurückzuverfolgende Verbindung zwischen den Orten Alsum und Hamborn. Die Form dieser Verbindung als leicht gekrümmte Straßen- und Tunneltrasse resultierte zugleich aus der vorindustriellen Situation in Verbindung mit den Bestrebungen zur Schaffung einer Tunnelform, die den Verkehrsvorstellungen der Zeit um 1910 entsprachen und insbesondere die Verwirklichung einer für Hamborn wichtigen Straßenbahnverbindung ermöglichte. Der Maternatunnel ist daher auch ortsgeschichtlich bedeutend.

 

Treue, Wilhelm/ Uebbing, Helmut: Die Feuer verlöschen nie - August-Thyssen-Hütte, 2 Bde, Düsseldorf/Wien 1969, Bd 1, S. 34

Gewerkschaft „Deutscher Kaiser“ in Bruckhausen am Rhein, in: Stahl und Eisen, 15. 6. 1899, S. 566-572, hier: S. 564

ThyssenKrupp Konzernarchiv, Lagepläne 1896 und 1912 TA F/Alg. 26 und L 39488/1

ThyssenKrupp Konzernarchiv, TLi 1734

ThyssenKrupp Konzernarchiv, TLi 1733

ThyssenKrupp Konzernarchiv, TLi 1733

Stadtarchiv Duisburg, Ha 43

Reichsverkehrsministerium (Hg.): Hundert Jahre deutsche Eisenbahnen. Jubiläumsschrift zum hundertjährigen Bestehen der deutschen Eisenbahnen, Leipzig 1938 (2. Aufl.), S. 85f

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